Erholung der deutschen Bauwirtschaft – Kurzes Strohfeuer oder nachhaltiger Aufwärtstrend?
Der Zementverbrauch als Gradmesser für den konjunktursensibleren Neubau ist jedoch um reichlich 8% eingebrochen. Mit der gesamtwirtschaftlichen Erholung im vergangenen Jahr erholte sich auch die Bauwirtschaft. Die Baubranche hatte jedoch 2010 mit einem ungewöhnlich harten Winter zu kämpfen, der in Januar, Februar und im Dezember zu einem Einbruch der Bautätigkeit führte. Als Gegenreaktion fällt die Erholung in diesem Jahr umso stärker aus. Die Rohbautätigkeit und damit der Baustoffabsatz werden im laufenden Jahr zweistellig wachsen. Ein derartiger Aufschwung wurde zuletzt in 1994 beobachtet.
Prognose 2012: Wachstumstempo verlangsamt, deutsche Wirtschaft bleibt robustManche stellen sich die Frage, ob dies nur ein kurzes Strohfeuer ist und verweisen auf die aktuelle Finanzkrise. Eine zunehmende Zahl von Ökonomen und Institutionen erwarten eine erneute Rezession in den USA (u.a. Roubini, Stiglitz, Morgan Stanley). Europa steckt ebenfalls mitten im Sog einer Schuldenkrise, die immer mehr Länder erfasst (zuletzt Italien). Damit stehen die EU-Länder vor einer gewaltigen Zerreißprobe. Immer größere Rettungsschirme werden aufgespannt, bisher ohne erkennbare Wirkung. Die Mehrzahl der Kapitalanleger hat längst den Daumen gesenkt und erwartet eine Rezession. Deshalb sind die Aktienmärkte weltweit im freien Fall. Allein der DAX hat innerhalb von 2 Monaten rd. 30% seines Wertes verloren, und dies obwohl die Auftragsbücher voll sind und deutsche Unternehmen international als besonders wettbewerbsfähig gelten! Langsam gehen auch die Wirtschaftsprognosen für 2012 nach unten. Wurde noch vor kurzem mit einem BIP-Wachstum von reichlich 2% im nächsten Jahr gerechnet, so liegen die aktuellen Prognosen unter 1% (DIW, HWWI, RWI). Weitere Senkungen dürften folgen.
Grafik 1:Es spricht vieles dafür, dass die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr deutlich an Wachstumstempo verliert, denn die Exporte werden unter den Folgen einer schwächeren Weltwirtschaft leiden. Es gibt aber auch gute Argumente dafür, dass Deutschland nicht in eine Rezession fällt. Tatsächlich gehört Deutschland zu den Krisengewinnern. Die deutsche Wirtschaft ist robust und steht auf einem breiten Fundament. Die Exporte sind innerhalb von zwei Jahren um fast 25% gestiegen. Als Folge sind Arbeitsplätze geschaffen worden, und die Gewerbesteuereinnahmen sind zweistellig (2010: +10%) gestiegen. Viele Arbeitnehmer werden im nächsten Jahr in den Genuss von Lohn- und Gehaltssteigerungen weit über der Inflationsrate kommen. Vor allem profitiert Deutschland aktuell davon, dass Kapitalanleger in Krisenzeiten einen sicheren Hafen suchen. Das hilft dem Staat, der seine Schulden zu Zinsen unterhalb der Inflationsrate finanzieren kann. Der aktuelle Zins für Bundesschatzbriefe liegt bei 1,8% und damit deutlich unter der Preissteigerungsrate von 2,4%. Am meisten profitieren die Bauherren vom reichlichen Kapitalangebot. Die günstigsten Angebote für Hypotheken (10 Jahre Laufzeit, fest, 1% Anfangstilgung) im Internet liegen unter 3%!
Gute Perspektiven im Wohnbau
Und damit kommen wir zu unserem Kernthema: der Entwicklung der deutschen Bauwirtschaft. Die Aussichten für den Wohnungsbau sind auch im nächsten Jahr ausgezeichnet. Extrem günstige Finanzierungsbedingungen, niedrige Arbeitslosigkeit, höhere Einkommenserwartungen und das weit verbreitete Gefühl, dass eine Kapitalanlage in Immobilien in Krisenzeiten viel sicherer und nachhaltiger als Aktien und Anleihen ist, befeuern den Wohnungsbau. Seit Monaten steigen die Baugenehmigungen zweistellig.
Grafik 2:
Nach einer jahrelangen Krise des Wohnungsbaus hat sich auch ein Nachholbedarf herausgebildet. Folgerichtig sind die Baupreise und Mieten in attraktiven Ballungsräumen zuletzt ebenfalls rasant nach oben gegangen. Die Angebotspreise für Wohnimmobilien lagen im August um 8% über Vorjahr (Quelle: IMX). Viele Investoren stellen sich im Hinblick auf die deutlich höheren Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden auch die Frage, ob ein Ersatzneubau nicht besser ist als eine umfangreiche Renovierung. Dieser Trend wird sich noch verstärken, da viele Wohngebäude „in die Jahre“ gekommen sind und sich die Bedürfnisse der Benutzer (Stichwort: seniorengerechtes Wohnen) und die Rahmenbedingungen (z.B. ENEV 2009) geändert haben. Wir rechnen deshalb selbst bei schwachem Wirtschaftswachstum mit einem Zuwachs der Baugenehmigungen im Wohnbau von 8-10%.
Differenzierte Betrachtung des Nichtwohnbaus
Im Nichtwohnbau ist die Lage differenzierter. Hier wird die Wachstumsschwäche nicht spurlos an den beiden größten Teilmarktsegmenten Fabrik- und Werkstattgebäude sowie Handels- und Lagergebäude vorübergehen. Trotz aktuell hoher Kapazitätsauslastung von über 86% (Quelle: ifo) können die Unternehmen geplante Projekte kurzfristig zurückstellen, wenn sie eine Abschwächung der Auftragseingänge feststellen. Andererseits ist ausreichendes (und billiges) Kapital für Investitionen vorhanden und der Standort Deutschland gewinnt an Attraktivität. Nach einem massiven Einbruch in den letzten Jahren, sehen wir klare Erholungstendenzen bei Büro- und Verwaltungsgebäuden. Hier sind die Baugenehmigungen in den letzten Monaten auf niedrigem Niveau zweistellig gestiegen. Dagegen dürfte der Bau von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden nach dem Höhenflug der letzten Jahre zur Landung ansetzen und dementsprechend zurückgehen. In dieser komplexen Gemengelage ist eine Prognose naturgemäß unsicher. Wir rechnen im Hinblick auf die schwierigen Rahmenbedingungen mit Stagnation.
Grafik 3:
Tiefbau und Infrastruktur abhängig von öffentlichen Mitteln
Der Tiefbau wir immer noch dominiert von den Aufträgen der Öffentlichen Hände (Bund, Länder und Gemeinden). Aber der Wirtschaftstiefbau hat zuletzt deutlich aufgeholt. Inzwischen fallen immerhin 38% aller Auftragseingänge im Tiefbau auf die Wirtschaft und 62% auf öffentliche Auftraggeber. Wesentliche Gründe für diese Akzentverschiebung sind PPP-Projekte (Public private partnership) und die deutlich gestiegenen Investitionen der Energiebranche im Bereich der erneuerbaren Energien, deren Förderung in den nächsten Jahren massiv im Vordergrund stehen wird.
Objekt | Strecke | Realisierung | Zeitraum | Kosten |
A1 AD Buchholz - Bremer Kreuz (6-spuriger Ausbau) | 72,7 | im Bau | 2008-2012 | 650 |
A5 Baden-Baden- Offenburg (6-spuriger Ausbau) | 42 | im Bau | 2009-2014 | 400 |
A8 Ulm/Elchingen - Ausburg (6-spuriger Ausbau) | 41 | kurzfristig | 2010-2014 | 300 |
A9 Triptis - Schleiz (6-spuriger Ausbau) | 19 | kurzfiristig | ab Okt. 2011 | 220 |
Ausblick 2012
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Perspektiven der Bauwirtschaft in Deutschland auch vor dem Hintergrund der sich verschlechternden weltwirtschaftlichen Entwicklung und der Probleme im Euroraum insgesamt gut sind. Bei aller Prognoseunsicherheit erwarten wir weitere spürbare Impulse aus dem Wohnungsbau und zumindest eine stabile Entwicklung im Tiefbau. Unsicherheitsfaktor ist der Wirtschaftsbau, da hier Investitionsentscheidungen sehr schnell geändert werden können und natürlich auch die Konjunkturabhängigkeit besonders hoch ist.
Der deutsche Betonmarkt wird 2011 um mindestens 10% zulegen. Rund die Hälfte des Wachstums stammt allein aus dem Witterungseinfluss, die andere Hälfte verdanken wir dem aktuellen Boom Wohnbau und der Erholung im Nichtwohnbau. Davon profitiert der Transportbeton ebenso wie ein Großteil der Betonbauteile (z.B. Fertigdecken, Wände). Infolgedessen wächst der Zementmarkt ebenfalls zweistellig. Selbst Mineralische Rohstoffe (Kies, Sand, Splitt), deren Hauptmarktsegment der Tiefbau ist, werden um mindestens 5% wachsen.
Baustoffabsatzprognosen für das Jahr 2012 werden dieses hohe Niveau des Jahres in Betracht ziehen, das im Gegensatz zum Vorjahr außerordentlich witterungsbegünstigt ist. Gehen wir im nächsten Jahr von „normalem“ Wetter mit einigen witterungsbedingten Ausfalltagen aus, müssen dementsprechend Abstriche gemacht werden. Unter diesen Prämissen erwarten wir in 2012 ein Baustoffvolumen in etwa auf dem Niveau dieses Jahres. Baustoffe mit Absatzschwerpunkt im Wohnbau werden besser abschneiden als Baustoffe mit Schwerpunkten im Nichtwohnbau und im Tiefbau.
Die Politik ist nun in der Verantwortung, dafür die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu setzen. Es muss sichergestellt werden, dass sinnvolle Bauprojekte nicht von einer Minderheit auf ewig blockiert werden, das Beispiel Stuttgart 21 darf sich nicht wiederholen! Investoren brauchen Planungssicherheit. Verzögerungen und zusätzliche Hürden (verbunden mit Umplanungen) sind wesentliche Ursachen für massive Kosteinsteigerungen, die dann vom Bürger z.B. über höhere Strompreise oder zusätzliche Steuern und Abgaben zu zahlen sind.